Lukas Ernst berichtet zum Thema Umveredelung

Interview zur Umveredelung

Jungwinzer und Weintechnologe Lukas Ernst erklärt im Interview wie eine Umveredelung abläuft.

Lukas Ernst kommt aus Güglingen im Zabergäu und ist 25 Jahre alt. Der Techniker für Weinbau und Oenologie arbeitet bei den Weingärtnern Cleebronn-Güglingen im Bereich Keller und Abfüllung. Nebenher bewirtschaftet er einige Weinberge im Zabergäu und ist im Premiumausschuss der Genossenschaft tätig.

Nach seiner Lehre zum Winzer in verschiedenen Betrieben in Württemberg folgten mehrere Auslandaufenthalte in Österreich, Neuseeland und Californien. Davon kommt auch das Interesse, neue Dinge auszuprobieren, wie zum Beispiel die Umveredelung. „Wir haben so viele Möglichkeiten heute, wir müssen es einfach nur machen“, so Lukas Ernst.

Bereits im letzten Jahr hat er einen Weinberg umveredeln lassen. Und das hat sehr gut funktioniert. Damals war es die Sorte Chardonnay, dieses Jahr die Sorte Sauvignon blanc. Beides mal auf einen Schwarzriesling Weinberg, denn diese Sorte soll aufgrund ihres schlechten Auszahlungspreises reduziert werden. Das heißt: Wo vor der Umveredelung Schwarzriesling wuchs, gedeiht künftig, und zwar am gleichen Rebstock, Chardonnay bzw. Sauvignon Blanc. 

Wir haben Lukas Ernst gefragt, was bei einer Umveredelung passiert und welche Erfahrungen er dabei gemacht hat.

Was genau passiert bei einer Umveredelung?

Bei einer Umveredelung wird ein Auge (Knospe) einer anderen Rebsorte in den Stamm der Rebe eingesetzt. Dies geschieht nach der Blüte der Reben (Mitte Juni). Dieses Auge treibt aus und bildet einen Trieb. Im darauffolgenden Winter wird der alte Stamm über der Veredelungsstelle abgesägt.

Warum umveredeln und nicht einfach die gewünschte Rebsorte neu pflanzen?

Die heutigen Unterstützungsvorrichtungen (das sind die Vorrichtungen an denen die Rebe hochwächst) eines Weinbergs sind so stabil, dass Sie mehrere Jahezehnte aushalten. Dadurch wird kein neues Unterstützungsmaterial verbraucht, was Geld spart und Ressourcen schont.

Ein anderer Grund dafür ist, dass der Rebstock ein großes Wurzelsystem im Boden hat und darauf im folgenden Jahr wieder zugreifen kann. Das Thema Wasser wird mit zunehmenden trockenen Sommern immer wichtiger.

Warum habt ihr euch für die Umveredelung entschieden?

Wir wollten unsere Rebsorten schnell an die Nachfrage des Marktes anpassen. Ein Weinberg wird auf 30 bis 40 Jahre angelegt. Vor 20 Jahren wusste aber noch niemand, wie sich der Markt bis heute entwickelt. Genauso wie wir heute nicht wissen, wie der Markt in 20 Jahren aussieht. Heute ist es schwierig, Schwarzriesling als Rotwein zu verkaufen, und das spiegelt sich auch im Erlös dieser Sorte als Genossenschaftswinzer wieder. Das Ziel unserer Genossenschaft ist es also, diese Sorte im Anbau stark zu reduzieren, da die Nachfrage zurück geht.

War es das erste Mal, dass du bei einer Umveredelung dabei warst bzw. das erste Mal, dass eure Genossenschaft den Prozess durchgeführt hat?

Wir haben im Vorfeld schon oft davon gehört und auch schon Weinberge gesehen, die umveredelt wurden. Aber es war das erste Mal, dass ich dabei war und auch der erste Weinberg in unserer Genossenschaft. Mittlerweile sind drei Flächen in unserer Genossenschaft umveredelt.

Wie lange hat der Vorgang gedauert?

Das Einsetzen des Auges in den Stamm hat eine Firma aus Frankreich übernommen. Dies dauert pro Stock nur wenige Sekunden, da diese Fachleute sehr gut geschult sind. Dafür wird der Stamm angeritzt und ein Auge aus einem Edelreis (Rute) einsetzt. Anschließend wird die Stelle mit einem Band zugebunden, um die Wunde zu schützen. Zwei Tage später wird die gesamte Laubwand bis auf den Trieb abgeschnitten. Nach zwei Wochen wird dieser letzte Trieb wiederum auf ein Blatt abgeschnitten. Dadurch wird die gesamte Kraft der Rebe auf das eingesetzte Auge gelenkt.

Das Anbinden und Ausbrechen der Anlage erfolgt einmal pro Woche bis Anfang August.

Welche Rebsorten wurden bei euch umveredelt?

  • Im Jahr 2018 wurde Schwarzriesling umveredelt zu Chardonnay.
  • Und im Jahr 2019 Schwarzriesling zu Sauvignon blanc.
  • Ein Kollege hat in diesem Jahr Acolon zu Riesling umveredelt.

Umveredelung ist doch sicher mit Ertragsverlust verbunden. Geht ihr da nicht ein Risiko ein?

Das ist richtig. Wir haben ein Jahr keinen Ertrag durch die Umveredelung. Das Problem ist nicht die Umveredelung, sondern schon die Sorte, die davor im Anbau war. Mit dieser hat sich für den Weinbaubetrieb kein Gewinn mehr oder nur wenig Gewinn erwirtschaften lassen. Dadurch ist klar, dass sich etwas ändern muss. Wir Winzer müssen bei einer Veränderung immer in Vorleistung gehen. Die Umveredelung wird sich erst auf die nächsten Jahre bezahlt machen. Genauso ist es aber auch, wenn ein Weinberg neu angelegt wird.

Von der Firma, die den Umveredelungsprozess durchgeführt hat, bekommt man eine Anwuchsgarantie von 80 Prozent der Reben. Im Jahr 2018 und 2019 hatten wir eine Anwuchsrate von über 95 Prozent. Die wenigen Rebstöcke, bei denen es nicht funktioniert hat, werden nachgepflanzt – mit neuen Reben.

Chardonnay der 2018 von Schwarzriesling umveredelt wurde

Mit welchen Kosten ist zu rechnen?

Die Kosten pro Stock bei einer Umveredelung liegen bei ca. 3 Euro. Das klingt erst einmal viel. Ein neuer Rebstock vom Rebveredler kostet nur die Hälfte. Aber einen Weinberg neu anzulegen kostet mit neuem Unterstützungssystem pro Hektar 30.000 bis 40.000 Euro. Eine Umveredelung dagegen kostet 12.500 Euro pro Hektar.

Unsere umveredelten Weinberge werden für die Premiumweinproduktion bewirtschaftet, wodurch sich unsere Einnahmen deutlich erhöhen. Dadurch lohnt sich die Umveredelung noch schneller.

Welche Tipps habt ihr? Was muss man beachten?

Grundsätzlich eignen sich alle Sorten für eine Umveredelung, jedoch nicht jeder Weinberg. Die Unterstützungseinrichtung sollte mindestens noch 20 Jahre halten, wenn man eine Umveredelung durchführt. Der Weinberg sollte zudem in einem gesunden Zustand sein, nicht älter als 20 Jahre und nur wenige Fehlstöcke haben.

Die Augen für die Umveredelung werden aus Edelreisern (Ruten) geschnitten, wie sie ein Rebveredler auch zum klassischen Veredeln von neuen Reben benötigt. Man benötigt zum Lagern der Edelreiser bis zu ihrem Einsatz Mitte Juni ein Kühlhaus oder lagert es bei einem Rebveredler ein.

Für das Jahr der Umveredelung sollte man ein Bewässerungssystem installieren. Es handelt sich zwar meist um Rebstöcke mit einem guten Wurzelsystem, aber dadurch, dass die Laubwand abgeschnitten wird, kommt auch der durch sie ausgelöste Kapillareffekt (sprich: der damit verbundene Transport des Wassers aus den Wurzeln in die höher gelegenen Teile der Rebe) ins Stocken. Der Rebstock nimmt dann nur noch Wasser aus den oberen Wurzeln auf. In trockenen Sommern können diese aber auch einmal nicht tief genug reichen, um an genügend Wasser heranzukommen.

Nach dem Absägen des alten Stammes über der Veredelungsstelle sollte diese Wunde im Winter mit einem Harz verschlossen werden, um Infektionen von Krankheiten zu vermeiden.

Abschließend lässt sich dazu sagen, dass es sehr interessant ist, eine Umveredelung zu begleiten. Man lernt den Rebstock nochmal ganz anders kennen und sieht, was er leisten kann.

Vielen Dank, Lukas – und weiterhin viel Erfolg!

Mehr spannende Interviews und alles rund ums Thema Wein auf dem Wein Heimat Blog.


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