Viele können es sich nur schwer vorstellen, aber es ist Realität: Stuttgart hat Weinberge bis vor die Tore seiner Innenstadt!
Grund genug für uns, uns den Weinbau in Stuttgart einmal aus der Nähe anzusehen, im Rahmen unserer Serie über die Weinregionen unseres Anbaugebiets.
Nachdem er das Juravorland der Alb gestreift hat, durchschneidet der Neckar ab Tübingen die Keuperformation, erreicht beim Zufluss der Rems den Muschelkalk, um bei Cannstatt terrassierte Steillagen zu formen. Bei dieser Schilderung merkt Ihr schon: Die Weinbergsböden zwischen Albtrauf und Stuttgart sind vielgestaltig. Sind es am Fuße des Hohenneuffen noch dunkle, lehmige Verwitterungen des Braunjura mit hellen Skelettanteilen, so prägen bei Esslingen und rund um Stuttgart vor allem die roten Böden der Bunten Mergel den Untergrund der Weinberge und bilden dort die Grundlage für Riesling und Trollinger. Auf Letzteren kommen wir am Ende des Beitrags zurück. Mehr zur Geologie findet Ihr auf unserer Webseite.
Stuttgart und der Wein – passt das zusammen? Und wie.
Stuttgart, das ist Großstadt, Talkessel, Zahnradbahn. Und mittendrin: Weinbau. Rund 400 Hektar Rebfläche ziehen sich durch die Stadt – vom Neckar bis hoch in die Höhenlagen. Das Schöne für Euch als Ausflügler: Die Reben erschließen sich Euch oft nur ein paar Schritte von der nächsten U-Bahnstation entfernt. Anders gesagt: In Stuttgart nähert Ihr Euch dem Wein auf bequeme Weise. Vorwiegend übrigens Trollinger, Lemberger und Riesling.
Ein guter Einstieg: Der Württemberger Weinwanderweg, er führt auch durch Stuttgart. Ihr könnt ihn zum Beispiel von Obertürkheim über Uhlbach zum Rotenberg laufen. Keine allzu große sportliche Herausforderung, aber ein schönes Stück Stuttgart – mit jeder Menge Reben, Aussicht und Weinbergstille.
Apropos Stille: Ein Highlight diesbezüglich ist die Stuttgarter Grabkapelle auf dem Württemberg. Wer da oben steht, versteht ein bisschen, warum die Württemberger an ihrem Wein hängen.
Fotos: Michael Krasser
Romantik pur: Grabkapelle mit besonderem Flair
Tipp für Romantiker: Besucht die Grabkapelle bei Sonnenuntergang. Wenn Ihr dann noch die Geschichte der Grabkapelle erzählen könnt, wird Euer Liebster oder Eure Liebste dahinschelzen. Die Kapelle wurde nämlich als Liebesbeweis erbaut. König Wilhelm I. tat dies für seine am 9. Januar 1819 jung verstorbene Gattin Katharina. Dafür war ihm keine Mühe zu groß. So ließ er sogar die Stammburg seiner Vorfahren abtragen, denn dies war einer der Lieblingsplätze der verstorbenen Königin. Die übrigens Zeit ihres Lebens sozial sehr, für damalige Zeiten sogar absolut außergewöhnlich engagiert war. In einer Zeit großer wirtschaftlicher Not nach Stuttgart gekommen, gründete sie – zum Teil mit Geld aus ihrem russischen Vermögen – Schulen, Waisenhäuser, Krankenhäuser und die erste Sparkasse Württembergs. Ihr erkennt dies unter anderem noch heute unter anderem am nach ihr benannten Katharinenhospital. Über dem Haupteingang der Stuttgarter Grabkapelle findet sich die Inschrift „Die Liebe höret nimmer auf“. Unbedingt ansehen. Öffnungszeiten und aktuelle Preise findet Ihr hier.
Die Weinsteige – kein Name ohne Geschichte
Wer’s städtischer mag, nimmt sich die Weinsteige vor. Nein nein – die heißt nicht nur so. Sie war früher ein mühsamer Pfad, über den die Winzer ihre Trauben aus den Höhenlagen nach unten in den Talkessel brachten. Heute schlängelt sich eine asphaltierte Straße denselben Weg hinauf Richtung Degerloch. Das Gute: Ihr könnt selbst aussuchen, ob ihr die – allerdings stets gut befahrene – Straße hinauf (oder hinab) laufen wollt oder mit einer der hier fahrenden U-Bahn-Linien fahrt und einfach aus dem Fenster schaut.
Wer mag – und gut zu Fuß ist – kann der alten Linie folgen: über Staffeln und verwinkelte Wege, vorbei an Mauern, mit kleinen Rebzeilen am Rand. Aber Achtung: Dies ist kein offizieller Wanderweg, eher etwas für Kenner, die hier schon länger wohnen.
Altes Handwerk, neue Geschichten
Wer mehr wissen will: Das Weinbaumuseum in Uhlbach ist klein, aber voller Geschichte. Ein liebevoll restaurierten Fachwerkhaus von außen, zeigt es im Inneren, wie in Stuttgart seit Jahrhunderten Wein angebaut und verarbeitet wird. Hier seht Ihr alte Pressen, Küferwerkzeug und Geschichten aus den Reben. Eine anschauliche, persönliche Ausstellung, und wer mag, hat es anschließend nicht weit bis in die Weinberge.
- © Stuttgart Marketing GmbH
Fotos: Werner Dieterich, Michael Krasser, Stuttgart Marketing GmbH (2)
Zeit für eine Pause
Wenn Ihr bei Eurem Ausflug zwischendurch eine Pause einlegen wollt – das geht! Unterwegs trefft Ihr – je nach Saison – auf Besenwirtschaften, Weingüter mit Vesperbrett oder einfach auf eine Bank mit Aussicht. Vieles ist wetterabhängig, manches spontan geöffnet, manches versteckt. Am besten: offen bleiben, nicht alles planen. Der Wein findet einen schon.
Zum Schluss: ein Ort mit Charakter
Zurück in der Stadt bietet sich ein toller Abschluss an: Weinhaus Stetter, wahrscheinlich das letzte echte Weinlokal der Innenstadt. Bodenständig, charmant, mit Liebe zum Glas. Echte, bodenständige Küche und eine Weinkarte, die buchstäblich für jeden Weinliebhaber den passenden Tropfen bietet. Alleine die schier endlos scheinende Liste an Weinen sorgt hierfür.
Insgesamt heißt unser Fazit: Ein Tag in Stuttgart, und plötzlich hat man Reben im Kopf.
Lasst uns zum Schluss einen Blick auf die typische Rebsorte hier vor Ort werfen.
Trollinger: Der Klassiker aus dem Ländle
Wenn es eine Rebsorte gibt, die man sofort mit Württemberg verbindet, dann ist es der Trollinger. Jahrzehntelang war er hier die unangefochtene Nummer eins unter den Roten – bis ihn erst der Riesling und nun auch der Lemberger im Anbau überholt haben. Trotzdem: Der Trollinger gehört zum hiesigen Weinbau wie die Kehrwoche zum Schwaben.
Außerhalb von Württemberg findet man ihn in Deutschland kaum. Seine Wurzeln liegen wohl irgendwo im Osten Europas, seinen Weg in unsere Gegend hat er aber über Südtirol gefunden – wo er übrigens immer noch in großem Stil angebaut wird, dort allerdings unter dem Namen „Vernatsch“.
Im Glas präsentiert er sich in einem hellen Ziegelrot – nicht mit der Tiefe oder Wucht eines Lembergers oder Spätburgunders, sondern deutlich zurückhaltender in der Farbe. Das liegt daran, dass die Beeren des Trollingers ziemlich groß sind – fast wie bei Tafeltrauben. Da der Farbstoff in der Schale steckt und sich beim Vergären auf der Maische auf den Saft überträgt, führt das Verhältnis von viel Saft zu wenig Schale eben zu dieser eher zarten Farbe.
Was den Stil angeht, ist Trollinger leichtfüßig unterwegs: frisch, saftig, mit gutem Trinkfluss und ohne großes Tannin-Gepolter. Man muss ihn nicht ewig lagern – im Gegenteil, er ist schon im Jahr nach der Lese bereit für den Tisch. Im Duft findet man rote Johannisbeeren, im Abgang mischt sich oft ein feiner Ton von Bittermandel dazu. Unkompliziert, ehrlich und dabei doch charaktervoll – ein echter Württemberger eben.
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Erstellt am 30. Mai 2025