Es liegt nicht nur am Wetter – Rosé ist ganz klar im Kommen, die Absatzzahlen steigen kontinuierlich. Bald könnte jede zehnte verkaufte Flasche Wein in Deutschland in zartem Rosa leuchten. Diesen Trend haben natürlich auch die Württemberger Genossenschaften erkannt. Mit duftigen Weinen aus Trollinger oder Spätburgunder sind sie ganz vorne mit dabei.
Text: Harald Scholl, Fotos: Armin Faber
Das Image hätte kaum schlechter sein können: Roséweinen haftete immer etwas Halbseidenes an. Sie waren halt weder weiß noch rot, irgendwie von ungeklärter Herkunft. «Werden da nicht rote und weiße Trauben zusammengekippt und fertig ist der Mischmasch?» war vor 20 Jahren ein weitverbreitetes (Vor-)Urteil über die dritte Weinfarbe. Dabei war und ist Rosé ein ganz seriöser und traditioneller Weinstil.
In der Provence, der Heimat des Rosé, werden die Sommerweine schon seit Jahrhunderten nach den gleichen Verfahren hergestellt. Drei klassische Methoden sind dabei üblich und gesetzlich abgesichert:
- Oft werden blaue Trauben gekeltert, abgepresst und dann wie Weißwein ohne Schalen vergoren. Das ergibt die in Württemberg beliebten Weißherbste oder auch sehr helle, eher lachsfarbene Roséweine.
- Alternativ werden die blauen Trauben zwei bis drei Tage auf die Maische gestellt und dann abgepresst. Daraus entstehen Roséweine mit deutlich mehr Farbe – das kann dann schon mal wie ein leichter Rotwein aussehen.
- Das dritte, aber in Württemberg nur selten angewandte Verfahren ist die «Saignée-Methode». Dabei werden aus dem Gärbehälter für Rotwein nach maximal 48 Stunden etwa 10 bis 15 Prozent des Mostes abgezweigt und getrennt zu Roséwein ausgebaut.
Doch ganz gleich, nach welcher Methode in Europa Roséweine erzeugt werden – allen ist gemeinsam, dass sie mittlerweile geschützt und die Methoden gesetzlich festgeschrieben sind und auch kontrolliert werden.
Das war leider nicht immer so. Die EU-Kommission konnte erst nach heftigen Protesten europäischer Winzer und ihrer Verbände davon überzeugt werden, einen Entwurf zurückzuziehen, der es ermöglicht hätte, Roséweine durch Verschnitt herzustellen. Das hätte nämlich die Panscherei legalisiert, die laut Vorurteil dem Rosé anhaftete. Leider ist genau dieses «Verfahren» bis heute in der restlichen weinerzeugenden Welt erlaubt, in Chile, Argentinien oder den USA dürfen Großkellereien solche zusammengeschütteten Weine herstellen. In Europa ist das weiterhin nicht erlaubt (außer bei Schaumweinen) – und das ist auch gut so.
Aus der Nische ins Rampenlicht
Seriöse Berechnungen gehen davon aus, dass allein die Deutschen pro Jahr mindestens 115 Millionen Flaschen Rosé trinken. Ein interessanter Markt mit steigenden Wachstumsraten. Da ist es nur logisch, dass nicht alles von erstklassiger Qualität sein kann, was in Europa als Rosé produziert wird. Da gerade auch bei jungen Konsumenten Roséwein wieder richtig «hip» ist, konzentriert sich der Massenkonsum leider viel zu oft auf angesagten billigen Sommerfusel. Aus Frankreich (Rosé), Italien (Rosato), aus Spanien und Portugal (Rosado) kommen große Mengen von industriell gefertigten Roséweinen mit relativ hohen Alkoholwerten, dafür niedrigen Preisen auf den Markt.
Selbstverständlich produzieren Frankreich, Italien, Spanien und Portugal auch viele ausgezeichnete und sehr hochwertige Roséweine. Und die aufgeklärten Weintrinker fordern diese klaren, frischen und lachsfarbenen Weine. Da lohnt der Blick auf die heimischen Erzeugnisse, die mit moderaten Alkoholwerten, kontrollierten Produktionsmethoden und attraktiven Preisen eine echte Alternative für Roséfans darstellen. Wer sich ein wenig mit den so herrlich sommerlichen Roséweinen beschäftigt, wird sehr schnell feststellen: gerade in Württemberg wird eine faszinierende Vielfalt von klaren, fruchtigen und frischen Rosés angeboten, die es mehr als wert sind, entdeckt zu werden.
Profis an den Gläsern
Die Auswahl an Roséweinen ist heute so groß, dass es schwer fallen kann, den perfekten Wein zu finden. Darum haben wir für euch ein Verkostungsteam zum Thema «Roséwein» aus Gastronomiefachleuten zusammengestellt. Unsere Experten haben aus dem großen Angebot die rund 50 schönsten Weine herausgeschmeckt. So kann die Terrassensaison schnell und gutgelaunt beginnen. Sie haben sich durch 70 Rosés aus praktisch allen roten Rebsorten durchprobiert, die in Württemberg angebaut werden. In den nächsten Wochen könnt ihr die Favoriten der Weinkenner auf diesem Blog finden – reinschauen lohnt sich also!
Das ist unser Panel:
Nicole Retter, stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Sommelier Union und langjährige Inhaberin eines Gourmet-Restaurants in München.
Theresa Olkus, ehemalige württembergische Weinkönigin, studiert an der Universität Hohenheim, arbeitet in einem Sternerestaurant in Stuttgart und als Autorin für die «Weinheimat».
Matthias Barthelmes ist ausgebildeter Koch und Sommelier im Restaurant «Pure Wine & Food» in München – die punktgenaue Verbindung von Speisen und Weinen ist sein Fachgebiet.
David Pantzer ist ebenfalls ausgebildeter Sommelier, nach einem Exkurs in den Weinhandel ist er seit Kurzem wieder in der gehobenen Gastronomie in Grünwald tätig.
Sebastian Holler zeichnet im Getränkemarkt Kiesel für das Weinsortiment – Schwerpunkt Württemberg – verantwortlich.
Harald Scholl ist als Autor, Journalist und Sommelier für das VINUM Weinmagazin tätig und Gebietsverantwortlicher im VINUM Weinguide.