Wie Ihr wisst, haben die Württemberger Weingärtnergenossenschaften seit Mitte September mit “Echt Württemberger Weinmacher” eine neue Marke am Start. Mit Patrick Hilligardt, Vorstandssprecher der Weinheimat Württemberg, haben wir hierüber schon gesprochen. Heute haben wir Dr. Uwe H. Lebok im Interview. Er hat mit seinem Know-How und seiner langjährigen Praxis in der Marktforschung, insbesondere in der Weinbranche, die Entwicklung der neuen Marke begleitet.
Herr Dr. Lebok, auf was muss ich beim Launch einer neuen Marke achten?
Wer eine neue Marke schaffen will, sollte diese von Grund auf möglichst merkfähig gestalten. Sie muss schnell und vor allem nachhaltig in den Köpfen der Verbraucher verankert werden. Das bedeutet, wir benötigen Besonderheiten eines Produkts, irgendetwas, das es von anderen Produkten beziehungsweise Marken unterscheidet. Das kann auch eine Besonderheit in der bisherigen Markengestalt sein, und diese wird dann in einen bestimmten Verwendungskontext gesetzt. Dies kann für Verbraucher in Entscheidungssituationen zentral sein, wann, wo, mit wem und warum ich bestimmte Produkte und Marken verwende.
Bei Eistee-Marken zum Beispiel waren manche Produkte so auffällig anders, dass bereits Stars, in diesem Fall Rapper, öffentlich mit dem Produkt in Erscheinung getreten sind. Damit generiere ich dann in gewissen Umfeldern ein entsprechendes Interesse bei spezifischen Zielgruppen. Nämlich bei Menschen, die mit dem aufmerksamkeitsstark beworbenen Produkt auf Anhieb etwas anfangen können oder zumindest mit bestimmten Stilelementen der Szene.
Jetzt müssen wir allerdings zugeben: Insbesondere Letzteres war bei den Württemberger Weinen nicht ausreichend gegeben.
Wie sind Sie dann bei “Echt Württemberger Weinmacher” vorgegangen?
Wein gibt es ja schon seit Hunderten von Jahren. Die Besonderheit in Württemberg ist die gemeinschaftliche Vermarktung. Darauf wurde gezielt aufgesetzt. Wenn wir die vergangenen Jahre auf der ProWein für deutsche Weinbauregionen rekapitulieren, dann gab es in der Vergangenheit Zeiten, als die Gemeinschaftswerbung noch großgeschrieben wurde. Viele Regionen sind davon inzwischen weggekommen, aber Württemberg hat immer das Gemeinsame hochgehalten. Und ist jetzt – gegen den Trend – ganz vorne dabei, dieses Gemeinsame ganz groß und auch als werbliche Einheit markant herauszustellen.
Wir hatten in der Vergangenheit einmal untersucht, was jungen Käufern Orientierung bietet, wenn sie vor dem Weinregal stehen und einen passenden Wein finden wollen. Nach der Entscheidung, ob rot oder weiß, fällt dann nicht selten die Entscheidung, einen Wein aus der Heimat zu wählen, weil etwas Regionales vorgezogen wird. An dieser Stelle geht das Problem dann aber schon los: Kennt der Kunde oder die Kundin Flussnamen wie Nahe oder Ahr, oder irgendwelche Bergrücken und Flussbezeichnungen? Je besser eine Region sich über möglichst einfach nachvollziehbare Assets und Codes präsentiert, desto besser unterscheidet sie sich von einem bunten Allerlei zahlloser Flaschen in Regalen. Und umso nachhaltiger prägt sich eine Weinregion als mentaler Erinnerungsstempel im Gedächtnis der Verbraucher ein.
Nun sind wir beim Württemberger Wein kein Start-up, wir starten bei dessen Image nicht bei Null, sondern tragen einiges davon nur etwas weiter voran, was die alte Marke bislang geprägt hat. Aber wir haben versucht, ähnlich wie bei einem solchen Startup, die Positionierung mit frischem Wind zu beleben, und weg zu kommen von dem bisherigen, eher spießigen Emblem des genießenden Kenners. Der runde Kreis blieb, aber das Emblem mit Geweihstange – in Anlehnung an das Württemberger Wappentier – und Trauben wurde mehr zu einem deutlich jüngeren Siegel.
Gab es auch Dinge, die bewusst aus der alten Marke herübergerettet wurden zu “Echt Württemberger Weinmacher”?
Die gab es: Überall dort, wo sie bekannt und differenzierend ist, also bestimmte Attribute beim Verbraucher als besonders und markant wahrgenommen werden, sind wir gut beraten, diese nicht zu beseitigen. So haben wir zum Beispiel bei unserer Farbe für die Corporate Identity eine ziemliche Alleinstellung. Während die Mehrzahl der anderen Weinanbieter hier mit Grün, Braun oder Ocker daherkommen, fällt das Rot der Württemberger Weine ins Auge.
Dann eben das runde Siegel: Eine weitere Besonderheit der Württemberger. Da es im Laufe der Jahrzehnte aber weitgehend entstilisiert worden ist, wurde es zwar als Siegel wahrgenommen, aber inhaltlich war es austauschbar und wir konnten es über eine Geweihstange und Trauben sinnhafter neu auffüllen – und das haben wir getan.
Wo haben Sie gesagt: Ab hier muss die Erneuerung erfolgen?
Das lag auf der Hand: Weil es in Württemberg überwiegend um “Hands-on-Weine” geht, setzen wir diese in der neuen Marke auch entsprechend in Szene. Und das im Sinne von leicht zu trinken, unkompliziert zu konsumieren, für die spontanen Momente, bei denen Menschen zusammenkommen. Wo man Wein auch mal auf der Haustreppe trinkt. Verstehen Sie? Wir möchten mit dieser Marke Menschen inkludieren, sie sollen bei diesem Wein in der Region zusammenkommen.
Ein verbindendes Element kann die Originalität sein. Dass wir Echt Württemberger sind. Und genau dies haben wir dann als Asset aufgebaut.
Zudem gehen wir kommunikativ in zwei Schritten vor. Im Ersten wollen wir als Brand schnell und nachhaltig in den Köpfen der Menschen verankert werden. Dafür auch die Bezeichnung “Echt Württemberger”, die mit Humor über die Kampagne vermittelt wird. Immer inkludierend. Also nicht: Wir Württemberger haben den besten Wein. Sondern einladend, auch Menschen einbeziehend, die bisher vielleicht mit Württemberg noch gar nicht viel am Hut hatten. Oder mit ihren Weinen. Sie einladen: Kommt gerne dazu, seid willkommen, seid auch Teil der echt(en) Württemberger.
Der beschriebene Ansatz mit dem Easy Drinking erfolgt dann im zweiten Schritt. Erst ist es wichtig, in die Köpfe zu kommen, mit inkludierendem Humor, der eine breite Öffentlichkeit anspricht. Diesen ersten Schritt schaffen wir mit diesem inkludierenen Humor, mit Identifikation, mit den echten Menschen, die diese Weine erzeugen.
Wenn wir bei dem von Ihnen angesprochenen Aspekt der Inklusion kommen: Was heißt das in der täglichen Arbeit unserer Genossenschaften?
Dass sie letztlich das Konzept selbst leben müssen. Was wir auf der Meta-Ebene tun können, ist, den Württemberger Wein stärker in der Bevölkerung zu verankern. Ihn erst einmal generell bekannter zu machen. Aber nicht auf dem Weinfest in Lauffen oder in einem Straßenfest in Stuttgart. Das muss schon von den einzelnen Mitgliedern der Echt Württemberger Weinmacher erlebnisreich umgesetzt werden, um neue Kundengruppen zu erschließen.
Wir müssen zu den Menschen. Über viele kleine Weinfeste, auch Nachbarschaften, die zusammen sitzen und ihren Alltag leben, können ein Weinfest sein. Und echt Württemberger Weinmomente bieten. Und hier hilft die leichte Wiedererkennbarkeit, unsere nach außen erkennbare Corporate Identity, die Farbe, das Logo.
Auf was muss man in den nächsten Monaten achten?
Nicht locker lassen, und immer weitermachen. Es wird auch Dellen geben. Dennoch muss auch durchgehalten werden. Und nach neuen Anlässen gesucht werden, wann sich Württemberger Weine besonders eignen, auch saisonal angepasst. Zum Beispiel Erntedank, in der Weihnachtszeit usw.
Was gerade jetzt zum Start auch sehr wichtig ist, ist die Probierbereitschaft zu stärken. Und vor allem die Sichtbarkeit im Handel hochzuhalten. Dies geht wiederum nur dann, wenn die neue Marke und ihre Corporate Identity auch konsequent von allen Mitgliedsbetrieben getragen wird.
Eine gewisse Einheitlichkeit ist am Anfang unbedingt gefragt. Zu viel Individualität im Siegel zum Beispiel wäre jetzt schädlich. Ein Durchdringen des Marktes geht nur, wenn alle am gleichen Strang ziehen. Logo, Farbcode und “Echt Württemberger”, das sind jetzt die drei Assets, an denen nicht herumgespielt werden darf und diese sollten alle Mitglieder konsequent nach vorne tragen.
Nun gibt es natürlich auch äußere Einflüsse: Welches Momentum muss am Markt da sein, damit die neue Marke zum Erfolg wird?
Es hängt von vielen Facetten ab, und es lohnt sich stets die Frage: Wann sind die Menschen für das Thema Wein und die Echt Württemberger Weinmacher am stärksten geöffnet? Wo kann ich das Ganze durch Event-Marketing gezielt pushen?
Und wissen Sie: Jetzt bloß nicht auf die ewigen Lamentierer hören. Es gibt immer den berühmten besseren Moment. Wenn man schon im Sommer mit der neuen Marke in die Öffentlichkeit gegangen wäre, wären die Gelegenheiten für Wein sicherlich günstiger als im November…klar: es gibt immer irgendein “Besser”. Aber jetzt ist heute, und genau jetzt ist die Zeit der Echt Württemberger Weinmacher. Jetzt gilt es, das Beste aus der gegebenen Situation herauszuholen.
Und natürlich gibt es äußere Einflüsse, über die wir nicht hinweg sehen können: Wir leben generell in Zeiten, in denen Preise wieder besonders heiß sind und öffentlicher Alkoholkonsum immer mehr in Frage gestellt werden. Auch solchen Herausforderungen gilt es sich als Echt Württemberger Weinmacher zu stellen, in dem das Genussprodukt Wein in angemessener Menge getrunken wird.
Immer aktuell informiert über das Neueste aus der Welt der “Echt Württemberger Weinmacher” im Echt Württemberger Blog.