Wir stellen Euch ab sofort einmal monatlich eine der schönsten Lagen der Weinheimat Württemberg vor. Heute starten wir mit der Lage Wurmberg unterhalb der Felsengärten.
Die Felsengärten in Hessigheim sind auf jeden Fall einen Ausflug wert – und wenn Ihr dann dort seid, befindet Ihr Euch mitten in einer der spannendsten Weinlagen Württembergs: Dem Wurmberg. An seinen steilen Hängen wachsen nicht nur hervorragende Weine, die Gegend darum herum ist auch für Wanderer und Spaziergänger ein tolles Ausflugsziel. Das Naturschutzgebiet und Kletter-Eldorado Felsengarten hat wirklich einiges zu bieten.
Aber starten wir mit den Bedingungen für den Wein. Der Wurmberg ist geprägt von eindrucksvollen Steillagen, in denen – weil alternativlos – überwiegend von Hand gearbeitet werden muss. Dabei entstehen Weine, die während ihrer Reifezeit von der Sonne und jeder Menge Wärme verwöhnt werden. Dies rührt zum einen her vom steilen Einfallswinkel der Sonne, aber auch von den zahlreichen Trockenmauern. Und diese verhindern nicht nur die Erosion oder sogar das Abrutschen des Berges, sie speichern im Laufe des Tages die Wärme der auf sie strahlenden Sonne und geben diese im Laufe der Nacht wieder an ihre Umgebung ab. Dadurch stehen die Reben in einem warmen, von nicht allzu großen Temperaturschwankungen geprägten Klima.
Tücken der Steillage
Neben der intensiven Arbeit, die eine solche Steillage erfordert, gibt es ein weiteres Risiko. In den Jahren 1924, 1938, 1988 und 2002 kam es zu wesentlichen Felsstürzen in den Felsengärten oberhalb der Weinberge. Der Berg ist quasi ständig in Bewegung. Grund hierfür sind die im Untergrund ablaufenden Auslaugungsvorgänge in den gipsführenden Schichten des mittleren Muschelkalks.
Im Jahr 2018 kam es nach starken Niederschlägen in einer Rebfläche unterhalb des Wurmbergweges zu einer flachgründigen Rutschung. Dr. Götz Reustle, damals Vorstandsvorsitzender der Felsengartenkellerei Besigheim, erinnert sich: „Diese wies eine Länge von 16 Metern und eine Breite von 20 Metern auf. Es rutschten insgesamt sechs Terrassen mit den sich darauf befindenden Trockenmauern ab.“
Jetzt aber mal wieder zurück zum normalen Betrieb in den Reben. Auf den rund 35 Hektar Rebfläche der Einzellage Wurmberg ist die dominierende Rebsorte traditionell der Trollinger. Früher stellte er nahezu 100, heute noch ungefähr 85 Prozent der Trauben, die hier angebaut werden.
Aber: In den vergangenen Jahren gab es betriebsübergreifende Versuche, zusammen mit der Hochschule Geisenheim und der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO) in Weinsberg in der Steillage neue Wege zu gehen. Und neue Rebsorten anzusiedeln, die mit dem immer wärmeren Klima besser klarkommen als der ursprünglich für die Steillagen typische Trollinger. Das Projekt nannte sich „Steile Weine“ und seine Ergebnisse liegen inzwischen vor. Rebsorten mit geheimnisvollen Namen wie Carmenère, die Neuzüchtung Marselan oder Nero d‘Avola – letztere die derzeit bedeutendste Sorte in Sizilien – sind hier inzwischen auch zuhause. Und natürlich bekannte, wohlklingende Namen wie Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon sowie neue, pilzwiderstandsfähige Sorten. Ein Interview zum Thema „Neue Rebsorten“ haben wir mit dem Experten für das Thema, Dr. Götz Reustle, bereits vor ein paar Jahren hier im Weinheimat Blog geführt.
Und warum heißt der Wurmberg nun Wurmberg?
Wir hören es Euch förmlich schon die ganze Zeit fragen: Wie kommt die Lage denn zu ihrem Namen „Wurmberg“? Ehrlich gesagt, wir wissen es nicht und konnten es auch nicht gesichert herausfinden. Es liegt allerdings folgende Vermutung nahe: Durch ihr warmes Mikroklima ist die Lage (leider) auch ein prima Zuhause für den Traubenwickler. Das ist ein Schädling, der vom äußeren Erscheinungsbild an einen Wurm erinnert und den man im Weinberg nicht gerne sieht. Früher war man ihm relativ hilflos ausgeliefert. Heute behindert man seine Fortpflanzung durch das Aushängen der sogenannten Pheromonfallen und hat seine Population damit gut im Griff. Aber, wie gesagt: Wir wissen es nicht. Wenn Ihr näheres zur Herkunft des Namens „Wurmberg“ wisst, gerne rein damit in die Kommentare.
Hier leben spannende Menschen
Wer durch die Felsengärten fährt, trifft unter Umständen ganz außergewöhnliche Zeitgenossen: Einer davon ist Reinhold Reuschle. Der ehemalige Bauunternehmer suchte nach seinem Eintritt in den Ruhestand eine neue Aufgabe und kaufte einen Weinberg, der früher einmal seiner Familie gehört und irgendwann verkauft worden war, zurück. Und seither – seit 2016 – saniert er in diesem Weinberg die Weinbergmauern beziehungsweise baut sie neu auf. Kurz nach Sonnenaufgang zieht er los und kehrt erst am Abend nach Hause zurück – außer zum Mittagessen.
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Fotos: Benjamin Stollenberg
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Oder Wilhelm Pfitzenmaier, Weingärtner und Weinerlebnisführer. Ob eine Wandertour durch die Weinberge oder eher eine rustikale Planwagenfahrt – sein Repertoire ist breit. Und seine Unterhaltungskünste sind bekannt. So vergleicht er auf seinen Fahrten gerne Weinsorten mit Stars. Ob Helene Fischer jetzt eher ein Weißburgunder ist oder doch der Riesling, ist uns leider irgendwo im Kleinhirn verloren gegangen. Fragt ihn einfach, wenn Ihr bei ihm vorbeikommt. Auch Seminare und Workshops gehören zu Wilhelm Pfitzenmaiers Repertoire.
Und dann wählt Besigheim auch alle zwei Jahre eine Weinprinzessin. Eine ganz außergewöhnliche kam 2019 ins Amt – und blieb es bis in diesen Sommer: Die heute 28-jährige Jacqueline Waraich. Besonderheit: Sie lebte zum Zeitpunkt ihrer Wahl erst seit drei Jahren in Besigheim. Aufgewachsen im Löchgau zog sie erst als junge Frau nach Besigheim. Sie hatte bis kurz vor ihrer Wahl keinen Bezug zum Weinbau, die Bankangestellte hat sich dann aber rasch in die Thematik eingearbeitet und begeisterte die Besigheimer mit ihrem Interesse. Erst in diesem Monat wurde ihre Nachfolgerin für die Zeit ab September gewählt, Anna-Maria Joos – sie stellen wir hier in Kürze separat vor.
Eine, die ihre Reben im Wurmberg hat, darunter auch einen Premium-Weinberg, ist unsere ehemalige Weingärtnerin des Monats Marie-Luise Pfersich. Ihre Familie betreibt schon seit Generationen Steillagenweinbau, und das mit Leidenschaft. Deshalb war sie schon, bevor sie laufen konnte, im Wengert mit dabei. Trotz der harten Arbeit entschied sie sich dann schon recht früh, Winzerin zu werden.
Auf den Bildern zu sehen: Wilhelm Pfitzenmaier, Jacqueline Waraich und Marie-Luise Pfersich.
Wandern in den Felsengärten
Wir hatten es Euch oben versprochen, deshalb lasst uns jetzt auch noch darüber sprechen, was Ihr in den Felsengärten erleben könnt. Diese sind nämlich ein Eldorado für Kletterer. In Deutschland wahrscheinlich einzigartig: Hier ragen hohe, steile Felsen aus der Weinbergslandschaft heraus. Hier sieht man regelmäßig Alpinisten trainieren. Ungefähr 500 Meter lang ist das Felsareal und verfügt über rund 130 Kletterrouten vom 3. bis 9. Grad – mehr als genug für einen Urlaub. Die Felsengärten sind aber auch als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Wir finden, völlig zurecht – schließlich beherbergen sie eine große Zahl sonnenliebender Pflanzenarten. Und auch Tiere, die hier genau auf sie zugeschnittene Lebensbedingungen finden, darunter die Mauereidechse.
Tipp: Besucht die Felsengärten gleich morgens oder abends, dann wirken sie in der Morgen- beziehungsweise der Abendsonne besonders mystisch und wild. Die schroffen, kühn aufragenden Muschelkalkformationen über dem Neckar sind eine geologische Attraktivität mit Seltenheitswert. An all dem führt ein schöner Wanderweg vorbei.
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Fotos: Benjamin Stollenberg
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Alle Freunden der Geologie wird Folgendes interessieren: Die Felsblöcke der nach ihnen benannten Felsengärten bestehen aus Sedimentgesteinen, die vor rund 240 Millionen Jahren im Meer entstanden sind. Bei ganz genauem Hinsehen entdeckt man hier und da Reste von Tieren, die hier vor mehreren hunderttausend Jahren in dem flachen Muschelkalk-Meer lebten. Muscheln können das sein oder Schnecken. Aber auch Knochenreste und Zähne von Haien und Fischsauriern sollen hier schon gefunden worden sein.
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