Deutsche Gourmet-Führer überschlagen sich mit Lobesliedern für «das beste griechische Restaurant in Deutschland» mit Sitz in Kernen-Stetten im Remstal. Der Mann, der hier ganz allein am Herd steht, ist in Stuttgart geboren, hat aber griechische Wurzeln und einen entsprechenden Namen: Joannis Malathounis zaubert mediterrane Spezialitäten auf die Teller.
Interview: Rudolf Knoll, Fotos: Roland Bauer
Wollten Sie immer schon ein Spitzenkoch werden?
Keineswegs. Zuerst habe ich Vermessungstechnik studiert, eine interessante Sache. Aber für meinen Geschmack war da zuviel Mathe dabei, nicht unbedingt meine Stärke. Also habe ich mir gedacht, es als Koch zu versuchen, habe mich in einigen sehr guten Häusern beworden und wurde schließlich im «Ochsen» in Kernen-Stetten akzeptiert. Der Chef erzählte mir später, dass er meinte, ich würde das nur sechs Wochen aushalten. Aber ich habe mich durchgebissen.
Wie ging es dann weiter?
Im «Ochsen» habe ich meine spätere Frau Anna, die Hotelfachfrau und Köchin büffelte, kennen gelernt. Das gemeinsame Ziel war Selbstständigkeit. 1993 bot sich die Gelegenheit, eine Gaststätte in Kernen-Stetten zu pachten. Jung und unbedarft wie wir waren, schlugen wir schnell zu und mussten danach ganz unten anfangen.
Wie das?
Es gab keine Stammgäste. Der Start mit regionaler Küche war sehr mühsam.
Wann kam der Wendepunkt?
2001 konnten wir das Gebäude kaufen und uns endlich selbstständig weiter entwickeln. Seitdem heißt das Restaurant auch wie ich. Und wir verabschiedeten die normale Küche. Gekocht wird nur das, was wir selbst schätzen. Experimente mag ich nicht. Ich setze auf leichte Küche, mediterran, mit viel Gemüse, Fisch und griechischen Elementen wie Samos-Gelee, Mavrodaphne-Zwiebel und Kalamata-Oliven. Gern verwende ich regionale Zutaten, aber ich bin flexibel. Letztlich entscheidend ist für mich stets die Qualität. Unsere Karte wechselt alle paar Wochen. Ein Vier-Gang-Menü ist stets dabei. Natürlich offerieren wir Fleischgerichte, aber wer es vegetarisch mag, wird ebenfalls glücklich. Eine Mode in der Spitzengastronomie möchte ich nicht mitmachen. Ich habe etwas gegen den Hype mit sehr gekünstelter, hochgelobter Küche und etlichen Mini-Gängen, die aber kaum Geschmack entwickeln.
Haben Sie ein gutes Team für ihre Art zu kochen?
Wir hatten schon gelegentlich die Presse im Haus, die dann meine Küchenmannschaft und mich fotografieren wollte. Ich musste denen beibringen, dass zwar meine Frau den Service schmeißt, aber ich die alleinige Mannschaft bin. Bei unserer Größenordnung mit allenfalls 20 Plätzen würde sich Personal nie rechnen.
Gilt der Prophet etwas im eigenen Land, haben Sie viele Gäste aus dem Remstal?
Ehrlich gesagt habe ich den Eindruck, dass wir in unserem Umfeld trotz der Michelin-Auszeichnung noch nicht so richtig wahrgenommen werden. Aber wir haben ein großes Einzugsgebiet. Manche Leute fahren hundert und mehr Kilometer, um bei uns zu genießen. Nur so können wir dauerhaft bestehen.
War der Stern schon länger ein Ziel?
Wir hatten davon geträumt und auch mal nachgefragt, ob wir überhaupt eine Chance haben. Angesichts unserer besonderen Struktur ohne Personal war man zwar scheinbar skeptisch. Aber dann kam eines Abends vor vier Jahren ein Anruf. Letztes Jahr wurde uns wieder bestätigt, dass die Küche finessenreich und ausdrucksstark ist und Anna jede Menge Charme und Herzlichkeit versprüht.
Für eine Sterne-Vergabe ist auch die Weinauswahl von Bedeutung…
Da stehen wir nicht hinter anderen Spitzenrestaurants zurück, nur dominieren bei uns griechische Weine auf der Karte. Sie umfasst etwa 380 Positionen, eigentlich viel zu viel. Deutsche Weine, und vor allem Remstäler, sind aber gut vertreten. Wir wollen uns in nächster Zeit auf griechische und deutsche Weine konzentrieren. Für Gewächse anderer Länder gibt es kaum Nachfrage. Und wir haben immer noch genügend Auswahl für eine abwechselnde Weinbegleitung zum Menü, die Anna kreiert. Wer gar keinen Wein will, bekommt alkoholfreie Begleitmusik.
Haben Sie beim Wein persönliche Favoriten?
Eigentlich ist Riesling mein Favorit. Aber ich habe etwas Probleme mit der Säure. Wenn ich ihn am Abend trinke, stehe ich nachts im Bett. Aber Alternativen gibt es genug.
Auch Trollinger?
Aber ja. Die Sorte ist ein wichtiges Thema in unserer Region. Und die Qualität hat deutlich zugenommen.
Was speist ein Spitzenkoch?
Nichts Besonderes, zum Frühstück ein Marmeladebrot, eine Brezel, ein Müsli, mittags meist ein Nudelgericht. Ich bin ein Allesesser, nur Schnecken kommen mir nicht auf den Tisch. Privat koche ich kaum, Anna und ich schauen uns lieber um und sind auch mal in einem Biergarten glücklich. Bei der Routenplanung im Urlaub achten wir darauf, dass sich unterwegs gute Restaurants befinden, nach dem Motto genießen und inspirieren lassen.
Haben Sie noch Zeit für ein Hobby?
Ich habe sogar zwei Liebhabereien. Als ich 50 Jahre alt war, habe ich den Motorrad-Führerschein gemacht und mit eine Harley geleistet. Inzwischen habe ich die dritte Maschine und genieße es, in meiner freien Zeit raus in die Natur zu fahren. Das ist Entspannung pur für mich. Das zweite Hobby ist Musik. In der Jugend habe ich mal mit einem Musikstudium geliebäugelt, aber dann befürchtet, dass ich irgendwann zum langweiligen Musiklehrer avanciere. Gitarre und Bass habe ich drauf, Tendenz Richtung Jazz. Das könnte später eine gute Freizeitbeschäftigung sein.
Sie sind jetzt 55 Jahre jung. Wie geht es weiter?
Die nächsten fünf Jahre stehe ich auf jedem Fall noch in der Küche, dann werden wir sehen. Ich habe auch schon über ein caritatives Engagement nachgedacht.
Ihr habt einen Sohn, der in die 11. Klasse geht und eigentlich bald eine Kochlehre machen könnte. Ist er ein potenzieller Nachfolger?
Unser Sohn isst und trinkt sehr gern nur Gutes. Beim letzten Geburtstag wollte er unbedingt mit uns in ein Top-Restaurant. Aber hoffentlich wird er kein Koch…