Was uns eine US-Studie über den Wandel im Konsumverhalten lehrt – und was das für den deutschen Markt bedeutet. Ein Gastbeitrag über junge Zielgruppen, von Marian Kopp, geschäftsführender Vorstand der Lauffener Weingärtner.
In den USA sorgen aktuelle Studienergebnisse für Aufsehen: Der Weinkonsum bei jungen Erwachsenen (zwischen 21 und 39 Jahren) geht deutlich zurück – und das aus nachvollziehbaren Gründen. Eine aktuelle Untersuchung des US-Marktforschungsinstituts „Wine Opinions“ unter 1.200 KonsumentInnen gibt einen detaillierten Einblick in die Gründe hinter dem Wandel. Auch wenn die Studie in Nordamerika erhoben wurde, lassen sich aus meiner Sicht viele Erkenntnisse auch auf den deutschen Markt übertragen – mit weitreichenden Implikationen für uns Weingärtnergenossenschaften, Weingüter und Kellereien, sowie Händler und Vermarkter von Wein.
📉 Weniger Wein – warum eigentlich?
Die zentrale Frage: Warum trinken 20- bis 40-Jährige heute weniger Wein? Die Wine Opinions-Studie liefert vier Hauptgründe:
🍷 1. Preis und Wertwahrnehmung: Wein ist (gefühlt) zu teuer
47 % der Befragten in den USA nannten gestiegene Preise als einen Hauptgrund für ihren rückläufigen Weinkonsum. Im Vergleich zu Bier, Spirituosen und insbesondere RTDs (Ready-to-Drink-Mixes) empfinden viele junge KonsumentInnen Wein als teurer, aber nicht unbedingt besser. Der Wein hat also ein Wertproblem, kein reines Preisproblem: Die wahrgenommene Gegenleistung stimmt für viele nicht mehr.
👉 Übertragbarkeit auf Deutschland:
Auch hierzulande beobachten Winzer und Händler eine zunehmende Preissensibilität – vor allem im Lebensmitteleinzelhandel, aber auch im Fach-Einzelhandel und in der Gastronomie. Wer keine glaubwürdige und schnell eingängige, verständliche Geschichte zur Qualität und zum Wert seines Weins erzählen kann, wird es schwer haben, junge Zielgruppen zu überzeugen.
🥃 2. RTDs & neue Formate verdrängen den klassischen Wein
Ready-to-Drink-Getränke (RTDs) wie Hard Seltzer, Mixgetränke in Dosen oder trendige Cocktails zum Mitnehmen boomen. 74 % der befragten US-Weintrinker konsumieren RTDs mindestens wöchentlich – ein massiver Wettbewerb für den klassischen Wein, der im Vergleich oft als zu kompliziert, zu formell oder zu altmodisch wahrgenommen wird.
👉 Und in Deutschland?
Auch hier wachsen nicht vornehmlich die RTD-Segmente an sich seit Jahren zweistellig, vor allem bei den unter 35-Jährigen. Junge Marken-Extensions wie Rotkäppchen-„Secconade“ oder „Sprizz und Fruchtig“ der WZG in der 0,33L Longneck-Fasche bzw. Dose oder auch Weincocktails und Weinschorlen to go treffen den Nerv der Zeit: schnell verfügbar, unkompliziert und oft günstiger als eine Flasche Qualitätswein. Die Verpackung wird zur Marketingbotschaft – und der klassische Korken wirkt oft wie ein Anachronismus. Eine Herausforderung stellt sich für diese Getränke in Bezug auch die „Werthaltigkeit“ in Bezug auf den Erlös in der Wertschöpfungskette, d.h. die Frage, inwiefern sich in dieser Kategorie auch auskömmliche Erlöse für den enthaltenden Wein erzielen lassen.
📊 3. Multi-Category-Konsum: Treue war gestern
Die meisten jungen KonsumentInnen trinken nicht ausschließlich Wein, sondern wechseln zwischen Bier, Spirituosen, Cocktails und RTDs bzw. Wein-Cocktails – je nach Anlass, Laune oder Umfeld. Nur 4 % der Befragten in den USA meiden RTDs komplett. Wein ist für viele einfach eine Option unter vielen, nicht mehr die erste Wahl.
👉 Was heißt das für die Weinbranche?
Die Konkurrenz kommt nicht nur aus dem eigenen Segment. Wer junge Menschen erreichen will, muss neue Genussanlässe schaffen – zum Beispiel durch niedrigschwellige Angebote, innovative Verpackungen oder emotionale, aber effiziente Kommunikation jenseits des klassischen Weinjargons und der großen Marketingbudgets.
⚠️ 4. Wein verliert, weil er sich nicht (schnell genug) verändert
Laut John Gillespie, Gründer von Wine Orpingtons, hat Wein derzeit ein dreifaches Problem:
„Wein hat in seiner Wahrnehmung Preisprobleme, Wertprobleme, stärkere Konkurrenz – und jetzt auch noch als Konkurrenz die RTDs.“
Die Studie zeigt deutlich: Junge KonsumentInnen sind neugierig, offen für Neues und weniger traditionsverhaftet. Wer diese Zielgruppe gewinnen will, muss Preisstrategie, Verpackung und Kommunikation radikal überdenken.

Das Team der beiden Weine, die von den Lauffener Weingärtnern ganz gezielt für Frauen erzeugt werden
👉 Was ist zu tun? Einige Denkansätze für den deutschen Markt:
-Marke & Wert des Produktes klar kommunizieren: Was unterscheidet meinen Wein von günstigeren Alternativen? Transparenz und knackiges, verständliches Storytelling sind gefragt.
-Innovative Verpackungen testen: Dosen, kleinere Flaschengrößen, Bag-in-Box – vieles ist möglich, wenn es gut gemacht ist.
Wein neu denken: Weincocktails, Frizzante-Varianten, aromatisierte Weine oder Cuvées mit modernem Branding können Brücken schlagen.
-Sprache und Tonalität anpassen: Weg vom belehrenden Fachsprech, hin zu alltagsnaher, lebendiger Kommunikation – auf Social Media, im Handel, auf der Flasche.
-Anlässe schaffen statt Erwartungen erfüllen: Picknick, Festival, Sundowner am Fluss – nicht die Weinbeschreibung steht im Vordergrund, sondern das Erlebnis.
Marian Kopp, Autor dieses Beitrags
🔄 Fazit: Wer morgen noch relevant sein will, muss heute umdenken
Die Ergebnisse aus den USA sind ein Weckruf – auch für die deutsche Weinbranche. Wenn Wein bei jungen Erwachsenen nicht den Anschluss verlieren will, braucht es Mut zur Veränderung, ein besseres Verständnis für Lebensrealitäten unter 40 und die Bereitschaft, ausgetretene Pfade zu verlassen.
Denn eins ist klar: Wein kann auch jung, flexibel und spannend sein – wenn wir ihn entsprechend gestalten.
Insbesondere einige Weingärtnergenossenschaften Württembergs haben bereits erfolgreich manche dieser aufgezeigten Wege eingeschlagen. Aber es heißt „dran bleiben“…!
Den Autor dieses Beitrags, Marian Kopp, findet Ihr auch auf LinkedIn.
Quelle / Studie: Die in diesem Beitrag besprochene Studie findet Ihr hier:
https://www.winebusiness.com/news/article/305790; https://wineopinions.com/
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