Heute geht es weiter mit unserem virtuellen Rundgang durch das Anbaugebiet Württemberg. Ein weiterer, äußerst schöner Teil ist das Bottwartal. Hier erwarten Euch Burgen, Schlösser und ganz viel Kultur.
Die Burgen und Schlösse behandeln wir zu einem späteren Beitrag separat, heute kümmern wir uns um die kultur – und einen ganz besonderen Geheimtipp für alle Freunde der Astronomie.
Aber zunächst schauen wir wie gewohnt auf die Böden, auf denen der Wein hier wächst. Vor allem an den rundlichen Vorbergen am Rand der Keuperstufe lässt sich der schichtförmige Aufbau der eindrucksvollen Landschaft ablesen. Hier wachsen Kerner und Schwarzriesling im unteren Hangdrittel auf den Tonmergeln des Gipskeupers, in der Mitte finden sich Trollinger und Lemberger auf den rötlichen Bunten Mergeln und am Oberhang reift der Riesling auf Verwitterungen des Sandsteines. Überragt werden die Weinberge durch die bereits erwähnten mittelalterlichen Burgen.
Wie so oft in Württemberg dominieren Trollinger und Riesling das Bild der Rebhänge – aber das Bottwartal hat deutlich mehr zu bieten. Hier trifft Wein auf Geschichte, Fachwerk auf Reben und Kultur auf Natur. Wie Ihr das erleben könnt? Durch einen Besuch. Wir haben heute zwei Städte des Bottwartals im Auge, die Ihr auf keinen Fall verpasst haben solltet!
Und jetzt nichts wie rein in den Teil mit den Ausflugstipps! Links im Bild seht Ihr übrigens das Großbottwarer Harzberghäusle, Foto: Corinna Jacobs
Großbottwar – Genuss für alle Sinne
Start: Der Wein-Lese-Weg Großbottwar & Weinlehrpfad Lichtenberg
Natürlich gehen wir davon aus, dass Ihr als Weinliebhaber gerne auch passendes rund um den edlen Rebensaft erlebt. Deshalb starten wir mit dem Wein-Lese-Weg rund um Großbottwar. Seine große Besonderheit. Er verbindet Wein mit Literatur. Klar, in unmittelbarer Umgebung war Friedrich Schiller einst zuhause. Und so manchen soll ein gutes Glas Wein ja schon zu manch philosophischer Zeile motiviert haben. Hier kommt also zusammen, was zusammen passt (Zitat absichtlich geändert). Im Ernst: Der literarisch und weinkulturell inspirierte Rundweg berichtet nicht nur von Reben, Jahreszeiten und Lese – dies tun andere Weinwanderwege auch. Seine Besonderheit: Auf dem Wein-Lese-Weg wird das Weinwissen charmant begleitet von literarischen Zitaten – mal poetisch, mal augenzwinkernd. Ein ganz anderer Weinwanderweg als Ihr diese von anderswo kennt.
Wer noch tiefer in die Materie Wein eintauchen will, kombiniert ihn mit dem Weinlehrpfad zur Burg Lichtenberg: Dieser ist ein kurzer, aber aussichtsreicher Aufstieg, auf dem zahlreiche Tafeln Details zu Rebsorten, Böden, Weinlese und Rebpflege vermitteln. Am Ziel erwartet Euch nicht nur ein Traumblick über das Tal, sondern auch das eindrucksvolle Profil der Burg Lichtenberg.
Fachwerk, Feste und ein Faible für Wein – so lässt sich Großbottwar umschreiben
Jetzt rein ins Zentrum Großbottwars – denn hierum soll es in diesem Beitrag ja gehen. Wer durch das Bottwartal reist, kommt an Großbottwar nicht vorbei – im wahrsten Sinne. Die charmante Weinstadt liegt ziemlich genau zwischen Heilbronn und Ludwigsburg, eingebettet in Rebhänge, Streuobstwiesen und Geschichte. Dass es hier nicht nur schön aussieht, sondern auch ordentlich was zu erleben gibt, zeigt ein Blick auf das Weinsüden-Siegel: Großbottwar gehört zu den derzeit 26 ausgezeichneten Weinorten in Württemberg, die mit einem besonders starken Bezug zum Weinbau und einem breiten weintouristischen Angebot punkten.
Altstadt mit Aussicht – und einem Storch mit Taktgefühl
Schon beim ersten Schritt durch die verwinkelten Gassen wird klar: Hier ist Geschichte lebendig. Der historische Ortskern ist ein einziges Fachwerk-Fest – mit liebevoll erhaltenen Weingärtnerhäusern, Bürgerstuben und als Mittelpunkt das imposante Rathaus von 1556, ein echtes Renaissance-Schmuckstück. Seine Sonnenuhr gilt als legendär, und wer genau hinhört, wird vielleicht sogar den weithin bekannten „stundenschlagenden Storch“ klappern hören. Ja, richtig gelesen.
Wein in der DNA
Dass der Wein hier seit Jahrhunderten das Lebensgefühl prägt, sieht man nicht nur, man spürt es. Einst wurde in Großbottwar das Fünffache der heutigen Rebfläche bewirtschaftet – und der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch soll bei sagenhaften 120 Litern gelegen haben. Kein Wunder also, dass der Weinbau hier immer noch tief in der Kultur verwurzelt ist. Besonders eindrucksvoll zeigt sich das am „Schiefen Haus“ – ein Weingärtnerbau aus dem 16. Jahrhundert, der so charmant aus dem Lot geraten ist, dass er als Wahrzeichen für das Gleichgewicht zwischen Tradition und Genuss gelten könnte.
Von Mittelalter bis Mittelaltermarkt
Zweimal im Jahr wird die Altstadt zur Bühne für lebendige Geschichte. Der Historische Markt und der Mittelaltermarkt im Herbst verwandeln Großbottwar in ein lebendiges Bilderbuch: Krämer, Gaukler, Mägde und Ritter füllen die Straßen, während zwischen Fachwerkfassaden und Weinlaub Laute erklingen und Stelzenläufer durch die Menge wirbeln. Authentische Kostüme, traditionelles Handwerk und schwäbische Spezialitäten sorgen für ein ganz besonderes Festgefühl.
Natürlich fehlt dabei eines nie: Wein in seiner schönsten Form – ob als Trollinger, Lemberger oder Riesling, ausgeschenkt in edlen Gläsern oder stilecht im Steinkrug. Besonders stolz ist man auf die Weine aus der Einzellage Großbottwarer Lichtenberg, deren Steillagen zu den bekanntesten im Bottwartal zählen.
Kultur trifft Keller – auf Schillers Spuren in Marbach
Marbach am Neckar & Weinbaugeschichte
Ein Abstecher nach Marbach darf nicht fehlen – das Geburtshaus von Friedrich Schiller verbindet Geschichte, Literatur und Heimat. Aber wusstet Ihr, dass Schillers Vater Weinbau-Inspektor war? Der Wein war also auch im Hause Schiller kein Unbekannter.
Marbach pflegt diese Tradition bis heute: Mit Weinfesten, regionalem Ausschank und einem liebevoll gepflegten Altstadtkern, in dem Weinkultur sichtbar bleibt.
Und auch wir wollen uns dem großen Meister etwas näher widmen – beziehungsweise zwei Möglichkeiten, wie Ihr dies in Marbach perfekt tun könnt.
Auf Schillers Spuren: Geburtshaus & Schillerhöhe
Schillers Geburtshaus in Marbach
Ein ganzes Haus? Fehlanzeige. Nur ein einziges Zimmer mietete die junge Familie Schiller damals im typischen Marbacher Handwerkerhaus – die Küche teilte man sich mit dem Vermieter. Heute kümmert sich der engagierte Schiller-Verein um das historische Gebäude, das viel mehr ist als ein Gedenkort.
Zur großen Schillerjubiläumsausstellung 2009 wurde das Haus mit einer modernen Dauerausstellung neu konzipiert – und die lohnt sich: Rund 30 Originalobjekte geben Einblick in das Leben und Wirken des Dichters. Vom Taufhäubchen über die berühmte Schillerlocke bis hin zu liebevoll inszenierten Szenen aus seinem Alltag – der Besuch macht Geschichte greifbar. Auf beengtem Raum wird erlebbar, wie das junge Familienleben damals aussah – charmant, nahbar und mit viel Gespür für die Details erzählt.
Multimediale Stationen begleiten Euch durch die Biografie Schillers – von Marbach in die große Welt, von den ersten Versen bis zum gefeierten Freiheitsdichter. Führungen? Gibt’s natürlich auch – und sie sind sehr empfehlenswert.
Schillerhöhe: Marbachs Hommage mit Weitblick
Nur ein kurzer Spaziergang vom Geburtshaus entfernt liegt die Schillerhöhe – ein Park, der nicht nur nach dem Dichter benannt ist, sondern ihm auch atmosphärisch gerecht wird. Schon 1840 angelegt, schenkte Württembergs König Wilhelm I. die Bäume und Sträucher höchstpersönlich. Heute ist der Park ein ruhiger, grüner Ort mit Aussicht – auf das Neckartal, den Hohen Asperg im Westen und bei klarer Sicht sogar bis zum Michaelsberg bei Cleebronn.
Herzstück sind die beiden Museen: das Schiller-Nationalmuseum sowie das Literaturmuseum der Moderne. Letzteres ist ein architektonisches und kuratorisches Highlight – und bringt das literarische Erbe des Landes in zeitgemäßer Form zum Funkeln.
Ob für Schiller-Fans oder alle, die eine besondere Verbindung von Natur, Kultur und Geschichte suchen: Marbach ist ein echter Geheimtipp im Bottwartal.
Geheimtipp: Tobias Mayer Museum
Was den Meisten zwar nicht als Erstes einfällt, wenn das Gespräch auf Marbach am Neckar kommt, aber was ein echter Geheimtipp ist: Das Tobias Mayer Museum! Tobias Mayer war ein großer Mathematiker, Kartograph und Astronom aus Marbach. Geboren am 17. Februar 1723 in Marbach, und aufgewachsen in Esslingen am Neckar, war früh Waise und verlebte seine Kindheit im Waisenhaus. Aus späterer Betrachtung ein Glück für den wissbegierigen Jungen: Denn hier konnte er sich bilden. Von seiner Hand entstanden der erste Stadtplan von Esslingen, ein Buch über Geografie und Mathematik sowie ein mathematischer Atlas. Letztere führten zu einer Anstellung in einer Nürnberger kartografischen Anstalt. 1751 wurde Mayer Professor für Ökonomie und Mathematik in Göttingen. Er, der selbst nie eine Universität besucht hatte, war im Zentrum der Wissenschaft angekommen.
Zugleich steht fest: Ohne Mayer wäre die Welt heute eine andere. Seine Karten und Tabellen, mit denen die Position des Mondes bis auf wenige Kilometer genau bestimmt werden konnte, brachten die Forschung ebenso voran wie jene über das irdische Magnetfeld, die Farbenlehre, die Geometrie und die Physik. Für seine Erkenntnisse über die Längenforschung wurde ihm posthum der Preis des britischen „Board of Longitude“ verliehen. Nicht zuletzt aufgrund seines frühen Todes blieb ihm eine breite Anerkennung außerhalb seiner Forschungsgebiete allerdings verwehrt.
Das Tobias-Mayer-Museum entstand 1985 im Erdgeschoss des Geburtshauses und wurde 2018 durch einen anliegenden Neubau erweitert. Das Museum wird vom 1981 gegründeten Tobias-Mayer-Verein getragen und dient als Ausstellungs- und Veranstaltungsort für Vorträge, Exkursionen und Forschungsveranstaltungen. Der Verein gibt Publikationen zum Leben und Werk Tobias Mayers heraus und erinnert damit regional und überregional an die Bedeutung des Mathematikers, Kartografen und Astronomen. Derzeit ist dort die Sonderausstellung „Die privaten Briefe der Mayer-Familie“ zu sehen.
Fotos: Tobias Mayer Verein
Besonderheit des Bottwartals: Wein & Burgen – untrennbar verbunden
Wir haben heute hauptsächlich über Großbottwar und Marbach gesprochen und weniger über DAS Merkmal, für das das Bottwartal gemeinhin steht. Das Bottwartal beeindruckt mit seiner Dichte an mittelalterlichen Burgen, die wie Wächter über dem Rebenmeer thronen: Burg Reichenberg, Burg Lichtenberg und Burg Hohenbeilstein erzählen von bewegten Jahrhunderten – und davon, wie eng Weinbau und Herrschaft früher miteinander verflochten waren. Heute laden die Burgen nicht nur zur historischen Spurensuche ein, sondern bieten die schönste Kulisse für das, was das Bottwartal ausmacht: Wein erleben, Landschaft genießen, Geschichte schmecken. Auf die Burgen des Bottwartals kommen wir zu einem anderen Zeitpunkt zurück.
Titelbild: Daniel Schneider
Erstellt am 19. Juni 2025